Heimat beim Pilgertag auf dem Ökumenischen Pilgerweg aus anderem Blickwinkel gesehen
Die Gruppe, die sich am Sonnabendmorgen an der Strehlaer Kirche getroffen hat, „fetzt“ – meint Thomas Barth. Der Treptitzer, der schon oft auf dem Pilgerweg unterwegs war und vielfach seine Fotos und Erfahrungen darüber präsentiert hat, ist mehr als zufrieden.
Er freut sich darüber, dass fast 20 Leute im Alter zwischen zwei und 65 Jahren mit ihm den Weg nach Dahlen in Angriff genommen haben, es nicht zu warm ist und der Wind nicht zu stark bläst. „Alle sind entspannt“, lautet sein Fazit nach rund der Hälfte der Strecke, bei der Rast zur Mittagsstunde auf dem Liebschützberg.
Mit Segen in Strehla gestartet
Auch Isolde Eidner aus Schönnewitz zeigt sich auf dem Berg zufrieden: „Das Tempo ist angenehm. Die Gruppe ist gut zusammengeblieben, auch mit den Kindern, die mit uns gehen“. Zu Beginn habe man sich in Strehla die Kirche mit ihrer tönernen Kanzel sowie die Pilgerherberge angesehen und vor dem Aufbruch von Pfarrer Johannes Grasemann den Reisesegen erhalten.
Für Christa Reimer aus dem gleichen Ort bietet der Tag eine Premiere. Auf Wanderschaft sei sie in Österreich schon oft gewesen und sie sei auch mit jener Gruppe aus der Kirchgemeinde Liebschützberg, die zu Fuß die Heimat erkundet, unterwegs. Aber auf dem Ökumenischen Pilgerweg laufe sie zum ersten Mal.
„Ich bin nahezu jedes Wochenende unterwegs“, sagt Anett Fritsch aus Oschatz. Meist so zwei bis drei Stunden, nie so lange Zeit wie an diesem Tag. Aber am Mittwoch will sich die 48-jährige Oschatzerin auf eine längere Tour begeben. Von Görlitz aus wird sie eben auf jenem Pilgerweg unterwegs sein, auf dem sie am Morgen in Strehla gestartet ist. „Wie weit ich komme, weiß ich nicht. Ich habe elf Tage Zeit“, blickt sie voraus. Die erste Hälfte dieses Pilgertages stimmt sie optimistisch: „Heute sieht es gut aus. Die Leute sind nett, das ist eine super Gesellschaft“, betont sie. Die Strecke bis zum Liebschützberg sei für sie neu gewesen, das Stück von dort nach Dahlen kenne sie von ihren regelmäßigen Touren. „Thomas Barth hat mich mit seinen Fotos und Berichten vom Pilgern angesteckt und neugierig gemacht“, erklärt sie.
Früh ging dieser Tag für Nicole Altenhoff los. So gegen 6 Uhr sei sie aufgestanden, um rechtzeitig in Leipzig aufzubrechen und 9 Uhr am Treffpunkt in Strehla zu sein. Nein, einen spirituellen Hintergrund brauche man nicht, um pilgern zu gehen. Der Unterschied zum Wandern liegt für sie im Ziel. Beim Pilgern kehre man nicht an den Ausgangspunkt zurück, sondern gehe immer weiter.
Gummibärchen motivieren auch Große
„Der Tourist verlangt, der Pilger dankt“, versucht Thomas Barth den Unterschied auf einen knappen Nenner zu bringen. Als Pilger bekomme man vieles geschenkt: Erlebnisse, Begegnungen und Landschaften zum Beispiel. Und Gummibärchen. Von denen, die mit einem unterwegs sind, gereicht, seien sie nicht nur für Kinder eine tolle Motivationshilfe, wenn der Weg etwas anstrengend werde.
Apropos Erlebnisse: Nach reichlich einer halben Stunde Rast, die die einen auf der Bank, die anderen auf einer Decke verbringen, diese Obst und Wasser und jene eine Miniflasche Sekt genießen, trägt der schwache Wind das Mittagsläuten mehrerer Kirchen rund um den Berg an die Gruppe heran. Ein gutes Zeichen für den Aufbruch nach Dahlen.
Bild 1: Vor dem Aufbruch zur zweiten Hälfte des Pilgertages tragen sich die in Strehla Gestarteten in das Buch am Wegweiser auf dem Liebschützberg ein. Ab hier liegen noch elf Kilometer Weg vor ihnen.
Bild 2: Irene Weichbrodt, Claus und Isolde Eitner aus Schönnewitz bevorzugen frisches Obst und Wasser bei ihrer Rast am Fuße der Windmühle auf dem Liebschützberg.
Text und Fotos: Axel Kaminski
Oschatzer Allgemeine Zeitung vom 29.04.2019